Gabriel Garcia Marquez – 100 Jahre Einsamkeit

Als einer der bedeutendsten Autoren des sogenannten „magischen Realismus“ Südamerikas gilt der Kolumbianer Gabriel Garcia Marquez. Um einen Eindruck zu bekommen, habe ich mir eines seiner Hauptwerke zukommen lassen, „100 Jahre Einsamkeit“. Immerhin hat Gabo, wie der Schriftsteller von scheinbar fast jedem genannt wurde, gerade wegen dieses Buches 1982 den Nobelpreis für Literatur bekommen. Das Buch wurde über 30 Millionen mal verkauft und in nicht weniger als 35 Sprachen übersetzt, seit es 1967 erstmals in Buenos Aires verlegt wurde.

Nach dem Titel zu urteilen, dachte ich an eine Geschichte eines Verschollenen in der Karibik, etwas Existenzialistischen, aber vorgefunden habe ich eine Familiengeschichte. Und eigentlich ist das Buch noch mehr als das, es ist die Geschichte einer ganzen Familiendynastie.
Die Buendías sind es, die irgendwo – nicht weit weg, aber weit genug weg, von der Küste der Karibik – ein Dorf namens Macondo gründen. Auf rund 450 Seiten werden dem Leser nun sechs Generationen der Familie vorgestellt und beschrieben, wie aus dem verlassenen Flecken Macondo im Nichts Kolumbiens, eine blühende Stadt wird. Gleichzeitig ist damit der Aufstieg des Familienclans verbunden, der den unterschiedlichsten Tätigkeiten nachgeht, vom Erfinden über Militärkarrieren bis hin zum ausschweifenden Leben. In einer schwer zu beschreibenden Zeit, in welche allerdings die Industrialisierung und die Kolonialisierung des Landes fällt, fallen zahlreiche und in schneller Abfloge erzählte Ereignisse; Hochzeiten und Feste aber auch Bürgerkriege, Hinrichtungen und Massaker. „Gabriel Garcia Marquez – 100 Jahre Einsamkeit“ weiterlesen

Thomas Melle – 3000 Euro

In einem Literaturzirkel im Fernsehen hörte ich vor einiger Zeit erstmals den Namen Thomas Melle und weil mich das Gesagte offensichtlich begeisterte, ließ ich mir vor geraumer Zeit ein Roman von ihm kommen, für wenige Euro, denn er war in gebrauchten Zustand.

„3000 Euro“, Melles zweitem Roman, aus dem Jahr 2014, erzählt über zwei Menschen, die in der soziologischen Aufteilung der Gesellschaft eher im Bereich des Prekariats zu verorten sind. Denise sitzt bei lidl an der Kasse und hat vor einigen Wochen etwas Geld hinzuverdient, als sie in einem Porno mitspielte. Jetzt kreisen ihre Gedanken nicht mehr nur noch um die eigene Tochter, die für ihr Alter etwas hinten dran ist, sondern auch um die Gedanken der Menschen die sie täglich begegnet und die Frage, ob diese sie von ihrem freizügigen Auftritt her erkennen. Ihr fällt der Flaschenpfandsammler Anton auf, der scheinbar auf der Straße lebt. Dieser begann seine Karriere einst als begeisterter Student der Jurisprudenz, verfiel aber immer mehr dem Ausgehen, den Partys und dem Alkohol und verlor nicht nur sein Studium, sondern irgendwie auch sein Leben dabei. Jetzt hat er 3000 Euro Schulden bei der Bank und hofft in einem Gerichtsprozess für geschäftsunfähig erklärt zu werden, womit er seine dringendsten Sorgen los wäre. Denise und Anton begegnen sich und fühlen sich zu einander hingezogen und eine Romanze am unteren Ende des gesellschaftlichen Randes beginnt. „Thomas Melle – 3000 Euro“ weiterlesen

Christian Kracht – Faserland

Ein Namenloser Ich-Erzähler reist durch Deutschland, von Nord nach Süd. Er ist noch keine 30 Jahre alt, hat reiche Eltern und kann es sich erlauben, von Party zu Party zu ziehen. Erst Sylt, dann Hamburg, Frankfurt, Heidelberg, München, Meersburg und abschließend Zürich (was dann auch die einzige Station ist, die nicht in Deutschland liegt). Geldsorgen hat der Ich-Erzähler, dessen Namen der Leser nicht kennt, keine. Auch sonst erfährt man nur wenig von seinem Leben. Von der Eliteschule Salem geschmissen, hat er entweder keinen Job, oder benötigt keinen. Obwohl er von Party zu Party reist, ist er kein kontaktfreudiger Lebemann, sondern ein konservativ zurückhaltender Typ, der allerdings ein massives Alkoholproblem hat und der geradezu versunken in seine eigene Welt ist. „Christian Kracht – Faserland“ weiterlesen

Daniel Kehlmann – Beerholms Vorstellung

Daniel Kehlmanns Debütroman „Beerholms Vorstellung“ erschien im Jahr 1997. Er ist in der Form eines Lebensberichts des Magiers Arthur Beerholm geschrieben. Artur wird von Adoptiveltern groß gezogen und hat eine recht unbeschwerte Kindheit bis seine Adoptivmutter vom Blitz erschlagen wird, der aus fast heiterem Himmel auf sie niederschlägt. Sein wohlhabender Adoptivvater lernt eine neue Frau kennen und schickt ihn aufs Internat, wo Artur eine Leidenschaft für Mathematik entwickelt. Doch immer wieder stößt er auf Probleme in der logischen Welt der Mathematik, rätselhaftes und unlösbares in einem Bereich, der eigentlich nur Lösungen bereithalten sollte. Von der mangelnden Wahrhaftigkeit enttäuscht, wird Beerholm Theologe, nicht ohne aber vorher eine fast schon geheim, zu nennende Leidenschaft für die Zauberei zu entwickeln. Denn die Magie „bedeutet schlicht, daß der Geist dem Stoff vorschreiben kann, wie er sich zu verhalten hat, daß dieser gehorchen muß, wo jener befiehlt. Was unvernünftig scheint ist in Wahrheit Offenbarung der Vernunft.“ (S.40) Die Theologen-Laufbahn verläuft für Beerholm recht gradlinig, bis er eine Vorstellung des Zauberers Jan von Rode besucht und seine alte Leidenschaft immer stärker an der Sinnhaftigkeit des kirchlichen Lebens zweifeln lässt. „Daniel Kehlmann – Beerholms Vorstellung“ weiterlesen

Jonathan Franzen – Unschuld

Nach fünf Jahren endlich ein neuer Franzen. Und der lag dann auch gleich auf meinem Geburtstagstisch. Da gibt es nur eins, ran an die 830 Seiten!
Nachdem die „Korrekturen“ und auch „Freiheit“ Familienromane waren, ist „Unschuld“ nicht mehr wirklich eine Familiensaga, wenngleich im weitesten Sinne schon. Wir begleiten mehrere Personen, allem voran Pip Tyler, einer verarmten Mit-20erin, die in der Bay Area von San Francisco in einem besetzten Haus lebt und deren größte Sorge, neben dem finanziellen Engpass und ihrem wenig verheißungsvollen Job, ihre Mutter ist, die allein und zurückgezogen lebt und die Pip niemals etwas aus ihrer Vergangenheit verraten möchte, nicht mal, wer ihr Vater ist. Ein weiterer Hauptcharakter ist Andreas Wolf, ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und heutiger Whistleblower, der mit seiner Enthüllungsplattform Sunlight Project zu großem internationalen Ruhm gekommen ist. Und wir erleben das Journalistenpaar Tom Aberant und Leila Helou, dass in einem etwas ungeklärten Beziehungsstatus lebt und einer großen Story nachjagt.   „Jonathan Franzen – Unschuld“ weiterlesen

Wolf Haas – Brennerova

Jetzt habe ich mich über den neuen Brenner Roman gemacht. Die Krimis von Wolf Haas sind meiner Meinung nach ideal für den Sommer geeignet. Wunderbar fließend zu lesen, sehr amüsant und durchaus auch etwas hintergründig. Diesmal ist der Brenner, der immerhin 19 Jahre im Polizeidienst war und nun schon seit Jahren sich irgendwie durchschlägt, in Frauengeschichten (Achtung: Mehrzahl!) verwickelt. Da ist zum einem die Begegnung mit der Herta, seiner Ex-Freundin, die fast zu einem Unfall führt, aber dadurch auch dazu, dass sich beide wieder näher kommen. Und da ist die Nadeshda, die der Brenner über das Internet kennengelernt hat und die wiederum um ihre Schwester Serafina fürchtet, weshalb sie den Brenner um dessen detektivische Mitarbeit bittet, was ihn aber in die Wiener Unterwelt führt, in die Welt der Zuhälter und Tätowierer. Doch nicht nur dort muss sich der Brenner aufhalten, im Zeitalter der Globalisierung und des Internets führt es ihn auch aus Wien heraus in die weite Welt. „Wolf Haas – Brennerova“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren

Im Jahre des Herrn 2011 kam Thomas Glavinics Reiseroman „Unterwegs im Namen des Herren“ heraus. Er beschreibt die Reise des Alter Egos Glavinic mit seinem Freund Ingo in den bosnischen Pilgerort Medjugorje. Die beiden Herren wünschen sich, ein näheres Bild von einer Pilgerreise zu machen. Gemeinsam mit anderen, mehr oder weniger streng gläubigen Menschen, fahren sie von Wien aus per Bus (wundervoller erster Satz des Buches: „Sechs Uhr früh ist eine Uhrzeit, die ich sonst nur von der anderen Seite her kenne.“) auf den Balkan. Als Atheisten beobachten sie das Geschehen, sind aber nicht wirklich von den Botschaften begeistert, doch irgendwie bleibt doch etwas Hängen bei diesem drei Tages-Trip zwischen Himmel und Hölle. „Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren“ weiterlesen

Thomas Pynchon – Gegen den Tag

Über ein halbes Jahr hat mich „Gegen den Tag“ begleitet, ich kann mich nicht erinnern je so lange für einen Buch gebraucht und es trotzdem beendet zu haben. Doch das ist keinesfalls als Kritik am Werk zu verstehen. Fast 1600 Seiten stark ist Pynchons sechster Roman, der 2006 veröffentlicht wurde. Trotz dieser Länge und dem Hang des Autors, Sätze unter einer Zeilenlänge von drei nicht wirklich beginnen und schon gar nicht enden lassen zu wollen, ist es ein grandioses Werk und mit Sicherheit das Beste, dass ich vom großen Unbekannten der amerikanischen Gegenwartsliteratur las. „Thomas Pynchon – Gegen den Tag“ weiterlesen

Peter Stamm – Weit über das Land

Mit Peter Stamms neustem Roman „Weit über das Land“ fremdle ich ein wenig. Eine Familie kommt aus dem Urlaub zurück, es ist einer der letzten heißen Augusttage und die Eltern Astrid und Thomas sitzen auf der Terrasse und verabschieden den Sommer mit einem Glas Wein und der Sonntagszeitung. Der kleine Sohn ruft, Astrid geht ins Haus und Thomas geht fort. Er verlässt die Familie von jetzt auf gleich, ohne ein Wort zu sagen. Er hat keinen Plan, nur seine Freiheit, nur den Moment. Astrid bleibt zurück mit den Kindern. „Peter Stamm – Weit über das Land“ weiterlesen

Christoph Hein – Weiskerns Nachlass

Auf eine Empfehlung hin, las ich Christoph Heins Roman „Weiskerns Nachlass“, der bei Suhrkamp erstmals 2011 veröffentlicht wurde.
Wir erleben den Alltag des Universitätsangestellten Rüdiger Stolzenburg, welcher gerade 59 Jahre alt geworden ist. Er besitzt eine halbe Stelle am Institut für Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig  und seine finanziellen und beruflichen Perspektiven sind als sehr überschaubar einzuordnen. Sein Liebesleben ist von gelegentlichen Beziehungen geprägt, welche er nicht zu intensiv gestalten möchte und sein Hobby ist neben einer monatlichen Billardrunde; das Erforschen, Sammeln und Zusammenfügen des Lebens Friedrich Wilhelm Weiskerns zu betreiben, mit dem finalen Ziel, einmal eine komplette Werksausgabe dieses Schauspielers, Schriftstellers und Topographen des 18. Jahrhunderts herauszugeben. Allerdings ist kein Verlag für dieses Vorhaben irgendwie zu begeistern. „Christoph Hein – Weiskerns Nachlass“ weiterlesen