Weißes Rauschen

Originaltitel: „White Noise“ | Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Noah Baumbach | Drama | 136min

Das Studium der Soziologie, gerade in den frühen 2000er Jahren, war keines was direkt in lukrative Arbeitsverhältnisse mündete. Das war und ist aber überhaupt nicht schlimm, denn ein von mir wahrgenommenes großes Plus dieses mehrjährigen Vorgangs des Lernens (bei gleichzeitig größtmöglicher öffentlicher Spreizung der Bekanntgabe des neugelernten Stoffes und der dazugehörenden Fremdwörter), ist das Kennen- und Schätzenlernen von Themen, die (mir) vielleicht sonst gar nicht bewusst geworden wären. So bin ich über eine nähere Auseinandersetzung mit der Postmoderne[1] zu Don DeLillos Roman „Weißes Rauschen“ gekommen. Ich war damals in meinen frühen 20ern und schwer begeistert vom Roman, der bereits 1984 im englischen Original erschien und der alsbald zu meinem Lieblingsroman avancierte.[2]
Noah Baumbach bekam 2021 einen nicht ganz kleinen Geldbetrag von netflix, damit er diesen Roman verfilmen konnte und das Resultat kann man sich mittlerweile beim Streaminganbieter ansehen. „Weißes Rauschen“ weiterlesen

Anna Seghers – Transit

aus der Reihe: „aus fremden Regalen

Erschien 1944 in englischer und spanischer Übersetzung und 1947 erstmals im Original auf Deutsch (in der Berliner Zeitung) | hier vorliegend in der Ausgabe des Aufbau Verlages 1985

Seit ich Christian Petzolds Film „Transit“ sah, nahm ich mir vor, irgendwann einmal die Romanvorlage von Anna Seghers zu lesen. Diese fand sich in der Bibliothek meiner Eltern. Ich zupfte mir das Buch aus dem für meine Verhältnisse ungeordneten Büchermeer heraus und beendete mit der Lektüre des Romans das Bücherjahr 2022.

Der Ich-Erzähler namens Seidler sitzt in einem Café in Marseille und erzählt dem Leser seine Geschichte, die mit dem Untergang eines Schiffes beginnt, auf welchem Seidler jedoch nicht Passagier war (und welches tatsächlich das Ende der chronologischen Handlung des Romans darstellt). Wir sind im 2.Weltkrieg und Seidlers letzte Zeit handelt davon, dass er aus Nazi-Deutschland flüchten musste und in Frankreich sein Heil sucht. Doch das Land wird von den Deutschen erobert und die Hauptstadt Paris ist besetzt. Dort übernimmt er einen Auftrag für einen Freund und bringt einen Brief zum Schriftsteller Weidel. Dessen Wirtin erklärt Seidler, dass Weidel sich umgebracht habe und sie seine sterblichen Überreste ohne viel Aufhebens entsorgt hat, weil sie Angst vor den Behörden hat, es sind halt komplizierte Zeiten. Einzig ein Koffer sei geblieben, welche sie Seidler übergibt. Dieser Koffer ändert für Seidler viel und er gelangt letztendlich nach Marseille, wo er durch die Papiere Weidels, die im Koffer lagen, eine Chance auf ein Visa und eine Ausreise aus Europa hat. In Marseille, dass noch von Franzosen verwaltet wird, scharren sich viele Flüchtlinge, um den Kontinent zu verlassen. Hier lernt Seidler auch einen deutschen Arzt kennen und später dessen Freundin Marie, welche ihm schon vorher als betörende und geheimnisvolle Fremde aufgefallen war, die durch die Cafés der Stadt eilt, um dort jemanden zu finden. „Anna Seghers – Transit“ weiterlesen

Roberto Bolaño – 2666

Erschien (posthum) 2004 bei Editorial Anagrama | auf Deutsch übersetzt von Christian Hansen 2009 bei Hanser und als Taschenbuch 2011 bei Fischer Taschenbuch erschienen | 1.200 Seiten (in der hier vorliegenden Taschenbuchausgabe)

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht am besten beim Autor. Der Name Roberto Bolaño schwirrte mir schon seit einiger Zeit durch den Kopf, aber woher dieses cerebrale Schwirren kam, ob aus einer Richtung Borges, oder vielleicht Mitchell, ist mir unklar. Vielleicht auch aus einem anderen Kontext heraus, der mir nicht mehr erinnerlich ist. Eines Abends jedoch, schrieb ich eine kontemplierte ich über einer neuen Leseliste und auf dieser sollte sich der Name Bolaño wiederfinden. Nach kurzer Recherche konnte ich „2666“ als sein Hauptwerk identifizieren. Warum ich auf das bekanntesten oder renommierteste Buch ziele, ist mir ebenfalls nicht ganz klar (ich könnte ebenfalls chronologisch vorgehen, aber vielleicht hege ich hier Zweifel dass der früheste Text nicht ganz ausgereift sein könnte), jedenfalls lag im Herbst des Jahres das gleichzeitig längste Buch von Bolaño in meinem Bücherregal und an einem weiteren Abend, diesmal im November – ich beendete gerade Thomes Roman „Grenzgang“ – nahm ich den über 1.000 Seiten starken Band in die Hände, um mal reinzulesen in „2666“. Tatsächlich ließ mich das Buch nicht mehr los und es ist wohl der Welzer (also ein Buch mit über 1.000 Seiten), den ich am schnellsten in meinem Leben verschlang. „Roberto Bolaño – 2666“ weiterlesen

Stephan Thome – Grenzgang

Erschien 2009 bei Suhrkamp mit 454 Seiten

Das schöne, weiße Bücherregal in meiner Wohnung, dass alle meine Romane beherbergt, hat mehrere Nachteile. Zum einen quellt es etwas über. Weil man die Bücher nicht mehr in die Reihen nebeneinander stopfen kann, müssen Sie über den Reihen angestapelt werden. Das kann gut aussehen und ich stehe ein wenig auf Bücherregale, die vor Büchern überquellen. Was mir bei meinem Regal aber zunehmend Sorge bereitet, ist der Fakt, dass – bedingt durch mein akribisch eingehaltenes Ordnungssystem nach Buchautor und Erscheinungsjahr zu ordnen – viele meiner Lieblingsbücher auf der untersten Regalebene, im Grenzbereich des Fußbodens zu finden sind, beispielsweise: David Foster Wallace, Peter Stamm oder auch Stefan Zweig. Das ist ärgerlich, denn nicht nur sammelt sich Staub da unten immer am besten, es ist auch ein wenig so wie im Supermarkt, man bemerkt die Dinge, die da unten liegen kaum. Das ist nun noch ärgerlicher geworden, seit ich auch die beiden Bücher von Stephan Thome in dieser Reihe unterbringen muss (Geißel der eigenen Ordnung). Nach „Fliehkräfte“ kommt links daneben sein Romandebüt „Grenzgang“ hinzu, ein Werk, dass mich sogar noch mehr überzeugte als erstgenanntes Buch. „Stephan Thome – Grenzgang“ weiterlesen

Ingo Schulze – Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst

Erschien 2017 bei Fischer | hier vorliegend als Fischertaschenbibliothek (2020) mit 762 Seiten

Im letzten Herbst war ich begeistert von Ingo Schulzes 2020er Roman „Die rechtschaffenden Mörder“ und so erwarb ich mir für diesen Sommer, die sehr handliche Fischer Taschenbibliothek Ausgabe (weil diese vermeintlich gut in meine Fahrradlenkertasche passen würde, was sie übrigens nicht wirklich tat) des Vorgängerwerkes „Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“. „Ingo Schulze – Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“ weiterlesen

Wolf Haas – Müll

Erschien 2022 bei Hoffmann und Campe mit 288 Seiten

Wie ich so über den Mozartplatz in Salzburg schlendere, sehe ich ein Plakat mit einem schwarzen Müllbeutel auf weißem Hintergrund, „moderne Kunst“ meinte ich zu insinuieren (schließlich ist Salzburg eine Kunst- und Kulturstadt und hier muss man so etwas allerorten erwarten können), da aber klarten sich meine, von einer gewissen biologischen Alterung geplagten, Augen und ich las: Wolf Haas Müll, in gelben Lettern auf den Müllbeutel gedruckt. Augenscheinlich gab Wolf Haas eine Lesung und mit einiger, nicht nur visueller, Betrübnis musste ich jedoch feststellen, dass diese erst weit nach meiner geplanten Abreise aus der Stadt stattfinden sollte. Aber trotzdem gut, denn mir war bis zu jenem Moment nicht klar, dass ich einen neuen Roman von Wolf Haas erwarten konnte, der im Übrigen im Bundesland Salzburg das Licht der Welt erblickte, im wunderschönen Maria Alm am Steinernen Meer.[1]

„Wolf Haas – Müll“ weiterlesen

Zadie Smith – Von der Schönheit

Erschien 2005 unter dem Originaltitel „On Beauty“ | deutsche Übersetzung von Marcus Ingendaay erschien 2006 bei Kiepenheuer & Witsch

Schon seit geraumer Zeit wollte ich etwas von der britischen Schriftstellerin Zadie Smith lesen. Da fiel mir im Frühjahr ein Roman von ihr in meiner Wiesbadener Lieblingsbuchhandlung, dem „Zweitbuch“, in die Hand. Im Zuge der Bekämpfung meines „Tsonduku“ Faibles (ich erwähnte dies bereits an dieser Stelle), enthielt ich mich aber eines Erwerbes und bereute diese Einschätzung, um sie letztendlich wenig später zu korrigieren.[1]

Familie Belsey ist multiethnischen Ursprungs und lebt in Wellington bei Boston. Howard Belsey, dreifacher Vater, lehrt an der ruhmreichen Universität in seinem Gebiet der Kunstgeschichte, wobei sein großes Thema momentan der niederländische Maler Rembrandt ist, zu dem er ein Buch veröffentlichen möchte, das aber nicht so richtig voranschreitet. Sein akademischer Nemesis ist Monty Kipps, ein aus Jamaika stammender Gelehrter, der in London lehrt und dessen konservative Einstellung zu allen Themen des Lebens Howard zu tiefst abstößt. Zu allem Überfluss ist Howard ältester Sohn Jeremy gerade in London bei den Kipps untergekommen und noch viel schlimmer ist es, dass es ihm dort sehr gefällt, so sehr sogar, dass er ein Verhältnis mit Montys wunderschönen Tochter Vee angefangen hat. Der in solcherlei Dingen unerfahrene Jeremy muss dringend gerettet werden, denkt sich Howard, und reist nach England. Seine Frau Kiki sieht die Situation nicht ganz so verbissen, ist sie auch nicht so sehr in die politischen Grabenkämpfe ideologischer Schlachten involviert wie ihr Mann. Ihre Aufgabe ist der Fortbestand der Familie, zu der auch noch die etwas überengagierte Tochter Zora und der Teenager Sohn Levi gehört, für den das akademische Leben nicht reizvoll erscheint und dass er für verlogen hält, wenn man es mit dem Leben einfacher Leute von der Straße vergleicht. „Zadie Smith – Von der Schönheit“ weiterlesen

David Mitchell – Die Knochenuhren

Erschien 2014 mit dem Originaltitel: „The Bone Clocks“ | deutsche Übersetzung von Volker Oldenburg erschien 2016 bei Rowohlt | 812 Seiten

Am 19. Juli kam David Mitchells neuster und mittlerweile achter Roman „Utopia Avenue“ in die Buchläden und selbstverständlich wird eine Ausgabe davon schon bald auch in meinem Regal stehen. Doch vorher galt es für mich, dass letzte, bis dato nicht studierte Werk des Briten zu lesen, „Die Knochenuhren“, welches sich günstigerweise schon in meinem Regal befand. „David Mitchell – Die Knochenuhren“ weiterlesen

Alexander Osang – Lennon ist Tod

Aus der Reihe: „aus fremden Regalen

Erschien 2007 bei S.Fischer | 312 Seiten

Irgendwann im Winter hörte ich beim Joggen ein längeres und sehr interessantes Gespräch mit Alexander Osang, den ich bis dato nicht kannte. Der Berliner Journalist und Schriftsteller ist in letzter Zeit in das Auge der öffentlichen Wahrnehmung getreten, weil er Angela Merkel erstmals länger nach Beendigung ihrer Kanzlerschaft interviewte. Ungefähr zur Zeit des Interviews fand ich im Regal meiner Schwester beim Katzensitten einen Roman von Osang und griff kurzerhand zu. „Alexander Osang – Lennon ist Tod“ weiterlesen

Haruki Murakami -Naokos Lächeln

Erschien 1987 unter dem Originaltitel: „noruwei no mori“ (englischer Titel: „Norwegian Wood“) deutsche Übersetzung von Ursula Gräfe 2001 erschienen bei 2001 bei DuMont | 416 Seiten

Als ich für diesen, meinen Blog den Text für David Mitchells „Number#9 Dream“ schrieb, wurde ich bei der Recherche zum Text auf Haruki Murakamis Buch „Naokos Lächeln“ aufmerksam. Eigentlich hatte ich gerade erst genug gelesen vom vielleicht weltweit renommiertesten japanischen Schriftsteller unserer Tage und „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ hatte ich in wenig begeisternder Erinnerung, aber trotzdem nahm ich mir vor „Naokos Lächeln“ mal eine Chance zu geben. So kam es nun mit dem aufkommenden Sommer, dass ich mir den Roman vornahm, stellen doch Murakami Bücher immer eine gewisse Leichtigkeit beim Lesen dar und eignen sich hervorragend für heiße Sommertage und deren Überwindung durch Lektüre.

Und was war das für ein großes Glück unter der Sonne, denn „Naokos Lächeln“ ist ein wirklich sehr lesenswertes Buch, dass für Murakami vielleicht etwas untypisch ohne jedes fantastische Element auskommt. Stattdessen begleiten wir den 19-jährigen Toru Watanabe, der 1969 nach Tokyo gekommen ist, um zu studieren. „Haruki Murakami -Naokos Lächeln“ weiterlesen