Außer Atem

Originaltitel: „À bout de souffle“ | Jahr: 1960 | Regie & Drehbuch: Jean-Luc Godard | Gangsterfilm | Länge: 87min | Location: Paris

Die „kleine Filmakademie“ im Kraftwerk Mitte stellt jeden Monat in einem rund einstündigen Vortrag, ein Thema der Filmgeschichte vor. Diesmal war es „Nouvelle Vague“, die Stilrichtung des französischen Kinos der späten 1950er und 1960er Jahre, über die mir jegliche Kenntnisse fehlten und bei dem ich maximal nur ein paar Namen hätte droppen können, so wie François Truffaut oder Jean-Luc Godard. Dieser geistigen Dämmernis wurde etwas Licht eingehaucht und ein Gefühl dafür geweckt, dass man es mit der Stilrichtung des Nouvelle Vague tatsächlich mit Filmen zu tun hat, die obwohl mittlerweile schon 60 Jahre alt, ein künstlerisches Vermächtnis darstellen.[1]
Die ins Deutsche übersetzte „neue Welle“ von Filmen im französischen Kino, wurde befüllt von jungen Filmemachern, die vorher bereits für die Zeitschrift für Filmkritik „Cahiers du Cinéma“, geschrieben haben und deren Anliegen es war, die ihrer Meinung nach veraltete Formen des Films zu erneuern. Das ist dezidiert keine kommerzielle Sicht auf den Film (wobei die meisten Filme der Nouvelle Vague sehr niedrige Produktionskosten aufwiesen und damit kommerziell recht erfolgreich waren), sondern eine, die den Film als Kunstform ernstnahm, daher als Ausdrucksmöglichkeit über menschliches Leben zu erzählen, gleichzeitig über das eigene Medium nachzudenken, über dessen Möglichkeiten und Geschichte und diese Formen dann innovativ zu erweitern. „Außer Atem“ weiterlesen

The Hand of God

Originaltitel: „È stata la mano di Dio“ | Jahr: 2021 | Regie & Drehbuch: Paolo Sorrentino | Coming-Up-Age Film | Länge: 130min | Location: Neapel in den 1980er Jahren

In Zeiten der Fußballweltmeisterschaft müsste ich eigentlich jeden Tag vorm Fernseher sitzen. Aber dieses Mal ist es anders. Nicht unbedingt, weil ich mich mit Freude an gemeinschaftlichen symbolischen Moralvorstellungen beteilige, sondern eher aus einer sich schon seit Jahren in Verblassung befindlichen Faszination des Fußballs als Unterhaltung (früher hätte ich argumentiert, als „Kultur unserer Tage“). Nun sah ich die Möglichkeit den neustens Paulo Sorrentino Film[1] zu schauen, der gleichfalls einen Fußballbezug hat, denn er spielt in den 1980er Jahren in Neapel, wo das Gerücht umgeht, dass der hiesige und notorisch erfolglose Fußballverein, der SSC, den besten Spieler der Welt verpflichten könnte; Diego Armando Maradona, den selbst eingefleischte Fußballverweigerer (wie ich es nicht bin und nie sein werde) kennen sollten, vielleicht ja von diesem Tor:[2] „The Hand of God“ weiterlesen

Ad Astra – Zu den Sternen

Originaltitel: „Ad Astra“ | Jahr: 2019 | Drehbuch & Regie: James Gray | Science-Fiction-Film | Länge: 123min

„Ad Astra“[1] ist Latein und bedeutet „zu den Sternen“.[2] In einer mittelfernen Zukunft bauen, im gleichnamigen Film von James Gray, die Menschen erste Raumstationen auf dem Mond und dem Mars, während sie auf der Erde riesige Weltraumantennen installieren, die tatsächlich am Firmament kratzen. Auf einer solchen befindet sich gerade Major Roy McBride (Brad Pitt), als eine schwere Energiewelle ihn erfasst und er in Richtung Erdoberfläche geschleudert wird und fast ums Leben kommt. Wie sich herausstellt, häufen sich diese Energiewellen und verursachen auf der Erde große Schäden und viele Tote. McBride wird von seinem Arbeitgeber, dem amerikanischen Space Command mit dem Auftrag betraut, seinen Vater (Tommy Lee Jones) Clifford McBride eine Botschaft zu übermitteln, da dieser der Auslöser der Energiewellen sein könnte. Dies geschieht zu Roys großer Verwunderung, dem sonst rein gar nichts aus der Ruhe bringt. Roys Überraschung bezieht sich jedoch darauf, dass er seinen Vater seit 16 Jahren für Tod hielt, in Erinnerung geblieben als großer Weltraum-Pionier, der auf der Suche nach außerirdischem-intelligenten Leben vor 20 Jahren aufbrach und in den Weiten des Alls verschwunden ist. Doch wie sich herausstellt, ist das nicht der Fall, denn Cliffords Lima-Mission hält sich irgendwo in der Nähe des Neptuns auf, scheint aber nicht mehr so zu arbeiten, wie man sich das vorstellt. Gemeinsam mit seinem Verbindungsmann Colonel Pruitt (Donald Sutherland) geht es auf die Suche nach dem Vater. „Ad Astra – Zu den Sternen“ weiterlesen

1899

Showrunner: Jantje Friese, Baran bo Odar | Mystery-Serie | Staffel eins mit acht Folgen | veröffentlicht 2022 bei Netflix

Dark“ war eine der ersten großen deutschen Serien auf Netflix und die beiden Showrunner Jantje Friese und Baran bo Odar konnten schon während der Arbeiten zu „Dark“, Netflix von einer weiteren Mystery Serie überzeugen, einer geheimnisvollen Schiffsfahrt von europäischen Auswanderern nach Amerika.

Maura Franklin (Emily Beecham) wird von Alpträumen geplagt auf ihrer Überfahrt mit dem Dampfer „Kerberos“ über den Atlantik in Richtung USA. Doch nicht nur in ihren Träumen ist ihr Leben kompliziert. Ihr Bruder ist vor vier Monaten mit einem baugleichen Schiff namens „Prometheus“ mitten im Ozean verschwunden. Auf hoher See empfängt die „Kerberos“ plötzlich Signale mit einer Positionsbestimmung. Kapitän Eyk Larsen (Andreas Pietschmann) vermutet, dass die „Prometheus“ um Hilfe ruft. Da der Umweg nur gut sieben Stunden in Anspruch nehmen wird, lässt er Kurs setzen. Das freut den Großteil seiner Passagiere kaum, denn die haben nur ein Ziel, ein neues Leben in Amerika starten und ihr altes Leben schnell vergessen, was aber keinesfalls leichtfällt. „1899“ weiterlesen

Westworld – 4.Staffel

Showrunner: Jonathan Nolan, Lisa Joy | Science-Fiction-Serie | 4. Staffel mit 8 Folgen | Erstausstrahlung 2022 bei HBO

Wann sind Geschichten auserzählt? Diese Frage hat mich schon bei der 3.Staffel von „Westworld“ beschäftigt, die nicht mehr mit den glänzenden ersten beiden Staffeln mithalten konnte. Was konnte man nun vom 4.Block erwarten? Mehr als ich dachte, so muss ich vorwegnehmen.
Das gelingt den Showrunnern Jonathan Nolan und Lisa Joy im Grunde mit einem einfachen Trick; Staffel vier spiegelt die Grundproblematik der 1.Staffel. Doch um diesen Spiegel zu erklären, müssen wir kräftig spoilern, was an dieser Stelle gleich vornweg benannt werden muss. „Westworld – 4.Staffel“ weiterlesen

The Stranger

Jahr: 2022 | Drehbuch & Regie: Thomas M. Wright | Thriller | Länge: 117min

Wenn man sich zum Ziel setzt noch ein paar Filme des Jahres aufzuholen, dann eignet es sich ganz gut die Beiträge der großen Filmfestspiele anzuschauen. „The Stranger“ lief dieses Jahr in Cannes, auch wenn es dort nur in der Kategorie „un certain regard“ eingeordnet wurde, einer Reihe, die man quasi als die Independent Kategorie der Goldenen Palme bezeichnen kann. „The Stranger“ weiterlesen

Cinco Lobitos / Lullaby

Jahr: 2022 | englischer Titel: „Lullaby“ | Drehbuch & Regie: Alauda Ruiz de Azúa | Spielfilm | 104min

Kinematografisch lief dieses Jahr eher schleppend und ich kann nicht sagen, dass mir ein herausragendes filmisches Meisterwerk 2022 in Erinnerung geblieben ist. Das liegt aber wohl eher an mir und meinem Mühsal, mich ins Kino zu begeben (was dringend notwendig wäre) oder mich meiner Filmplattformen zu bedienen (weniger notwendig, denn das Kino benötigt mein Geld dringender). Auf letztgenannter Option fand sich neulich ein spanischer Film, bei dem die aus dem Film „Victoria“ bekannte Schauspielerin Laia Costa mitwirkte. Das klang vielversprechend genug. „Cinco Lobitos / Lullaby“ weiterlesen

Stephan Thome – Grenzgang

Erschien 2009 bei Suhrkamp mit 454 Seiten

Das schöne, weiße Bücherregal in meiner Wohnung, dass alle meine Romane beherbergt, hat mehrere Nachteile. Zum einen quellt es etwas über. Weil man die Bücher nicht mehr in die Reihen nebeneinander stopfen kann, müssen Sie über den Reihen angestapelt werden. Das kann gut aussehen und ich stehe ein wenig auf Bücherregale, die vor Büchern überquellen. Was mir bei meinem Regal aber zunehmend Sorge bereitet, ist der Fakt, dass – bedingt durch mein akribisch eingehaltenes Ordnungssystem nach Buchautor und Erscheinungsjahr zu ordnen – viele meiner Lieblingsbücher auf der untersten Regalebene, im Grenzbereich des Fußbodens zu finden sind, beispielsweise: David Foster Wallace, Peter Stamm oder auch Stefan Zweig. Das ist ärgerlich, denn nicht nur sammelt sich Staub da unten immer am besten, es ist auch ein wenig so wie im Supermarkt, man bemerkt die Dinge, die da unten liegen kaum. Das ist nun noch ärgerlicher geworden, seit ich auch die beiden Bücher von Stephan Thome in dieser Reihe unterbringen muss (Geißel der eigenen Ordnung). Nach „Fliehkräfte“ kommt links daneben sein Romandebüt „Grenzgang“ hinzu, ein Werk, dass mich sogar noch mehr überzeugte als erstgenanntes Buch. „Stephan Thome – Grenzgang“ weiterlesen

Triangle of Sadness

Jahr: 2022 | Drehbuch & Regie: Ruben Östlund | Satire | Länge: 147min

In meiner Funktion als „backbone of culture“[1] wollte ich es nicht versäumen, den neusten Film von Ruben Östlund im Kino zu schauen. Seit dem großartigen „The Square“ bin ich ein Fan des schwedischen Regisseurs und mit Freude hörte ich davon, dass sein neuestes Werk „Triangle of Sadness“ die Goldene Palme von Cannes im Frühjahr gewann (wie bereits 2017 der Vorgänger „The Square“). Das lässt einige Erwartungen aufkommen, auch durch die allesamt recht begeisternd klingenden Kritiken (die ich alle nur kurz anhörte, um nicht zu viel vom Film zu erfahren). Deshalb trollte ich mich – relativ spontan – in mein Nachbarschaftskino.

Carl (Harris Dickinson) ist Modell und bewirbt sich um einen neuen Job, nachdem er einige Jahre schon nicht mehr im menschlichen Vorführ-Geschäft war. Seine Freundin Yaya (Charlbi Dean) ist Influencerin und nach eigenen Angaben bestens im Geschäft, trotzdem soll lieber Carl die Rechnung in einem Edelrestaurant begleichen, was zu einer kleinen Beziehungskrise führt. Diese ist jedoch vergessen, als beide auf einer Luxus-Yacht Kreuzfahrt teilnehmen, auf welchen es sich die Super-Reichen des Planeten gut gehen lassen. Crew-Chefin Paula (Vicky Berlin) macht Ihre Angestellten darauf aufmerksam, dass alle Gäste nur den besten und exklusivsten Service genießen dürfen und ihnen alle Wünsche von den Lippen abgelesen werden sollen. Diese Aufgaben umzusetzen, gilt nicht unbedingt als wichtigste Präferenz des Kapitäns (Woody Harrelson), der sich lieber mit Alkohol in seiner Kajüte einschließt. „Triangle of Sadness“ weiterlesen

Die rechtschaffenen Mörder im Staatsschauspiel Dresden

Regie: Claudia Bauer | Länge: 2h 20min | gesehen am 6.10.2022 im Schauspielhaus Dresden

aus der (neuen) Reihe: „Bretter der Welt

Jetzt ist es ja so! Das Leben gleitet an einen vorbei und es gibt immer wieder Momente, in welchen man bemerkt, dass man mehr zugreifen müsste. Vor etwa einem Jahr schrieb ich die hier verlinkten Zeilen zu Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ und nahm mir fest vor, das Theaterstück zum Buch im Schauspielhaus zu besuchen. Es dauerte fast ein Jahr, bevor ich diesen Plan umsetzte (entschuldigend sei auf den leidigen Lockdown in Sachsen verwiesen, der zuallererst mal wieder Kunst und Kultur betraf). Was persönlich noch etwas schwerer wiegt, oder besser gesagt trauriger ist; ich war tatsächlich seit Jahren erstmals wieder bei der Aufführung eines Theaterstücks! Zu dieser Schwerfälligkeit, mich in die heiligen Hallen der Schauspielkunst zu begeben, gesellte sich noch meine Arroganz, die sich nicht vorstellen konnte, aus dem vorzüglichen Buch ein gutes Bühnenstück zu machen. „Die rechtschaffenen Mörder im Staatsschauspiel Dresden“ weiterlesen