Jonathan Franzen – Unschuld

Nach fünf Jahren endlich ein neuer Franzen. Und der lag dann auch gleich auf meinem Geburtstagstisch. Da gibt es nur eins, ran an die 830 Seiten!
Nachdem die „Korrekturen“ und auch „Freiheit“ Familienromane waren, ist „Unschuld“ nicht mehr wirklich eine Familiensaga, wenngleich im weitesten Sinne schon. Wir begleiten mehrere Personen, allem voran Pip Tyler, einer verarmten Mit-20erin, die in der Bay Area von San Francisco in einem besetzten Haus lebt und deren größte Sorge, neben dem finanziellen Engpass und ihrem wenig verheißungsvollen Job, ihre Mutter ist, die allein und zurückgezogen lebt und die Pip niemals etwas aus ihrer Vergangenheit verraten möchte, nicht mal, wer ihr Vater ist. Ein weiterer Hauptcharakter ist Andreas Wolf, ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und heutiger Whistleblower, der mit seiner Enthüllungsplattform Sunlight Project zu großem internationalen Ruhm gekommen ist. Und wir erleben das Journalistenpaar Tom Aberant und Leila Helou, dass in einem etwas ungeklärten Beziehungsstatus lebt und einer großen Story nachjagt.   „Jonathan Franzen – Unschuld“ weiterlesen

Stranger Things

Was waren das für Zeiten, die 80er! Sie scheinen mittlerweile so vergangen zu sein, dass ein Blick zurück eine gewisse Nostalgie hat. So wie in der Comedyserie „The Goldbergs“ beispielsweise. Die netflix Serie „Stranger Things“ wählt auch diesen Weg, das Setting in den 1980ern spielen zu lassen. Das wäre rein vom Inhalt nicht bedingt notwendig gewesen. Denn bei Stranger Things werden wir in die fiktive Kleinstadt Hawkins mitten in den USA geworfen, in der plötzlich der kleine Will Byers (Noah Schnapp) verschwindet, nachdem er mit seinen Freunden spielte. Für Polizeichef Jim Hopper (David Harbour), der sich vom Tod seiner Tochter nie wirklich losmachen kann und dessen beste Freunde Zigaretten und Alkohol geworden sind, ist dieser Fall höchst ungewöhnlich, denn Hawkins ist ein äußerst ruhiger Ort, der seinen persönlichen Lastern eigentlich genügend Raum und Zeit lässt. Als etwas später auch der Dinerbetreiber Tod aufgefunden wird und ein mysteriöses Mädchen (Millie Bobby Brown) auftaucht, scheint das Chaos perfekt zu sein. Während Wills Mutter Joyce (Winona Ryder) glaubt, ihr Sohn könne irgendwie mit Geisterhand mit ihr kommunizieren, versuchen auch die drei Freude von Will, Mike (Finn Wolfhard), Dustin (Gaten Matarazzo) und Lucas (Caleb McLaughlin) auf eigene Faust die Suche aufzunehmen. Währendessen hat Mikes Schwester Nancy (Natalia Dyer) pubertäre Probleme zu lösen, doch bald merkt sie, dass mit Wills Bruder Jonathan (Charlie Heaton) ganz neue, höchst erschreckende Probleme ebenso in ihr Leben treten. Und hinter allem scheint irgendwie das geheimnisvolle Hawkins Laboratorium unter Leitung von Dr. Brenner (Matthew Modine) zu stehen. „Stranger Things“ weiterlesen

Wolf Haas – Brennerova

Jetzt habe ich mich über den neuen Brenner Roman gemacht. Die Krimis von Wolf Haas sind meiner Meinung nach ideal für den Sommer geeignet. Wunderbar fließend zu lesen, sehr amüsant und durchaus auch etwas hintergründig. Diesmal ist der Brenner, der immerhin 19 Jahre im Polizeidienst war und nun schon seit Jahren sich irgendwie durchschlägt, in Frauengeschichten (Achtung: Mehrzahl!) verwickelt. Da ist zum einem die Begegnung mit der Herta, seiner Ex-Freundin, die fast zu einem Unfall führt, aber dadurch auch dazu, dass sich beide wieder näher kommen. Und da ist die Nadeshda, die der Brenner über das Internet kennengelernt hat und die wiederum um ihre Schwester Serafina fürchtet, weshalb sie den Brenner um dessen detektivische Mitarbeit bittet, was ihn aber in die Wiener Unterwelt führt, in die Welt der Zuhälter und Tätowierer. Doch nicht nur dort muss sich der Brenner aufhalten, im Zeitalter der Globalisierung und des Internets führt es ihn auch aus Wien heraus in die weite Welt. „Wolf Haas – Brennerova“ weiterlesen

Paul Ingendaay – Gebrauchsanweisung für Spanien

Außer meinem Heimatland ist mir kein Land so nah, wie Spanien. Was läge da näher, bei einem Besuch im geschätzten „Zweitbuch“ in Wiesbaden das Sonderangebot „Gebrauchsanweisung für Spanien“ von Paul Ingendaay zu erwerben und das aus drei Gründen. Der Wichtigste: ich mag Paul Ingendaay‘s Blog über Spanien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und habe diesen immer mit großem Interesse gelesen, auch wenn ich ihn in letzter Zeit nicht mehr finde. Zweitens, ich war an jenem Tag im Buchladen eigentlich auf dem Weg nach Spanien und drittens (und am wenigsten wichtig), im „Zweitbuch“ sind (fast) alle Bücher immer billiger, was mich automatisch animiert etwas zu kaufen und dann kaufe ich natürlich das Beste was ich sehe. „Paul Ingendaay – Gebrauchsanweisung für Spanien“ weiterlesen

Better Call Saul – Staffel 2

Die 2.Staffel von „Better Call Saul“ beim Prequel von „Breaking Bad“ lädt uns wieder ein, das Leben des Anwalts Saul Goodman zu betrachten. Wie auch schon in der ersten Staffel gibt es den Namen Saul Goodman noch gar nicht, denn es handelt sich um Jimmy McGill (Ben Odenkirk), der sein Glück als Anwalt versucht. Aber wie auch bei „Breaking Bad“ ist auch diese Serie eine Geschichte des Verfalls, oder vielleicht besser eine Geschichte die die Wege in die Abgründe des menschlichen Seins verdeutlicht. Der größte Unterschied zu Breaking bad bleibt die Geschwindigkeit. Während in letztgenannter Serie der Abstieg und die Verwegenheit des Absturzes geradezu atemberaubend schnell von statten geht, ist es bei Better Call Saul eher der langsame Weg nach unten. „Better Call Saul – Staffel 2“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren

Im Jahre des Herrn 2011 kam Thomas Glavinics Reiseroman „Unterwegs im Namen des Herren“ heraus. Er beschreibt die Reise des Alter Egos Glavinic mit seinem Freund Ingo in den bosnischen Pilgerort Medjugorje. Die beiden Herren wünschen sich, ein näheres Bild von einer Pilgerreise zu machen. Gemeinsam mit anderen, mehr oder weniger streng gläubigen Menschen, fahren sie von Wien aus per Bus (wundervoller erster Satz des Buches: „Sechs Uhr früh ist eine Uhrzeit, die ich sonst nur von der anderen Seite her kenne.“) auf den Balkan. Als Atheisten beobachten sie das Geschehen, sind aber nicht wirklich von den Botschaften begeistert, doch irgendwie bleibt doch etwas Hängen bei diesem drei Tages-Trip zwischen Himmel und Hölle. „Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren“ weiterlesen

Thomas Pynchon – Gegen den Tag

Über ein halbes Jahr hat mich „Gegen den Tag“ begleitet, ich kann mich nicht erinnern je so lange für einen Buch gebraucht und es trotzdem beendet zu haben. Doch das ist keinesfalls als Kritik am Werk zu verstehen. Fast 1600 Seiten stark ist Pynchons sechster Roman, der 2006 veröffentlicht wurde. Trotz dieser Länge und dem Hang des Autors, Sätze unter einer Zeilenlänge von drei nicht wirklich beginnen und schon gar nicht enden lassen zu wollen, ist es ein grandioses Werk und mit Sicherheit das Beste, dass ich vom großen Unbekannten der amerikanischen Gegenwartsliteratur las. „Thomas Pynchon – Gegen den Tag“ weiterlesen

Peter Stamm – Weit über das Land

Mit Peter Stamms neustem Roman „Weit über das Land“ fremdle ich ein wenig. Eine Familie kommt aus dem Urlaub zurück, es ist einer der letzten heißen Augusttage und die Eltern Astrid und Thomas sitzen auf der Terrasse und verabschieden den Sommer mit einem Glas Wein und der Sonntagszeitung. Der kleine Sohn ruft, Astrid geht ins Haus und Thomas geht fort. Er verlässt die Familie von jetzt auf gleich, ohne ein Wort zu sagen. Er hat keinen Plan, nur seine Freiheit, nur den Moment. Astrid bleibt zurück mit den Kindern. „Peter Stamm – Weit über das Land“ weiterlesen

Braunschlag

Mein Kollege bezeichnet faszinierende Dinge, die er im Internet findet, gern als Perlen und seit es die Seite „Perlentaucher“ gibt, glaube ich, dass dies ein allgemein gebräuchlicher Ausdruck dafür ist. Nun ist es so, dass auch ich auf eine Perle gestoßen bin. Geschehen in meiner Internet-Videothek, als ich etwas sinnentleert rumklickte und auf die österreichische Mini-Serie „Braunschlag“ aus dem Jahr 2012 traf und beim Lesen des Titels, dies für ein Nazi-Drama hielt. Dem ist aber ganz und gar nicht so, vielmehr ist es neben, „Mord mit Aussicht“ das beste deutschsprachige TV-Produkt der letzten Jahre. „Braunschlag“ weiterlesen

Jürgen Kocka – Geschichte des Kapitalismus

Der Kapitalismus ist ein vielbesprochenes Ding. Seine Errungenschaften wurden gepriesen, aber genauso werden ihm nicht gerade wenige unschöne, wenn nicht gar zerstörerische Sachen vorgeworfen und auch sein Ende ist ein gern diskutiertes Thema (von Peter Licht auch sehr schön besungen, wie hier: https://youtu.be/fYEcMuRhYas)

Der renommierte Sozialhistoriker Jürgen Kocka legte 2014 ein kleines rund 140 Seiten starkes Bändchen vor, was sich mit der Frage der Geschichte des Kapitalismus befasst. Nach der Einführung, die durchaus klar macht, dass der Begriff „Kapitalismus“ heute eher skeptisch betrachtet wird und die drei grundlegende Denker der Kapitalismuskritik Marx, Weber und Schumpeter sehr kurz vorstellt, folgt eine erste Arbeitsdefinition, was man unter Kapitalismus überhaupt verstehen könnte (ein tatsächlich heute umso wichtigerer Arbeitsschritt, hat man doch das Empfinden, begriffe werden gerade in der öffentlichen Diskussion immer mehr von einem Gefühl bestimmt, als das sie wirklich durchdachte Erklärungen bieten). Kapitalismus beruht bei Kocka auf individuellen Eigentumsrechten und dezentralen Entscheidungen, die wiederum zu Gewinnen oder aber auch Verlusten führen können. Im Kapitalismus findet die Koordinierung der Akteure über Märkte, Preise und Wettbewerb statt, was sowohl Arbeitsteilung, als auch die Geldwirtschaft voraussetzt. Kapital ist grundlegend für dieses Wirtschaften, denn es impliziert die Investition in der Gegenwart mit der Hoffnung auf Vorteilen in der Zukunft. Darin spiegeln sich sowohl die Form der Kreditvergabe, als auch die Maßgabe das Profit als Erfolgsfaktor anerkannt wird. „Jürgen Kocka – Geschichte des Kapitalismus“ weiterlesen